Chryselephantine Statuette des Palaikastro-Kouros
Ausgegraben in Gebäude 5, Palaikastro
Minoisch, SM IB, 1525-1450 v. Chr.
Elfenbein, Gold, Serpentin, Bergkristall und Holz
H. ca. 50 cm
Archäologisches Museum von Sitia
Der Palaikastro-Kouros, ein chryselephantines Meisterwerk
Der Palaikastro-Kouros, eine äußerst delikat gearbeitete Gold- und Elfenbeinstatuette, ist ein Meisterwerk seiner Zeit.
Der Torso der Figur wurde während der Grabungskampagne in Russolakkos bei Palaikastro 1987 in einem der Innenräume von Gebäude 5 entdeckt. Im Jahr darauf fand man auch den aus Serpentin gefertigten Kopf und noch etwas später die restlichen Teile der heute existenten Statuette.
Eines der frühesten chryselephantinen Kunstwerke der Antike
Im allgemeinen bezeichnet man Kunstwerke, bei denen verschiedene Materialien miteinander kombiniert wurden, vor allem Gold und Elfenbein, als chryselephantin. Der Palaikastro-Kouros ist eines der frühesten erhaltenen Beispiele eines chryselephantinen Kunstwerks und sicherlich eines der eindrücklichsten Exemplare minoischer Elfenbeinkunst überhaupt.
Im Überschwang der Materialien
Fünf unterschiedliche und sehr kostbare Materialien verwendete der hochbegabte Künstler für die Statuette des stehenden Jünglings, die in ihrem fragmentarisch-abstrakten Erhaltungszustand auch das Auge des heutigen Betrachters noch ungemein fasziniert. Zu seiner Zeit war die Verwendung derart kostbarer Materialien ein klarer Hinweis auf die inhaltliche Bedeutung der Figur, die sicherlich in einen kultischen Kontext eingebunden war.
Sie besteht aus acht separaten Teilen, die aus Nilpferd-Elfenbein gefertigt wurden, das wohl aus Ägypten oder Syrien importiert wurde. Olivenholzzapfen halten die Einzelteile zusammen, die mit Blattgold überzogen wurden. Die Augen besteht aus kostbarem Bergkristall, der Kopf aus einem bläulich-grauen Serpentin. Der seifige Stein eignet sich hervorragend für die Herausarbeitung einzelner Details. Allein die Struktur der Haare, die teilweise geschoren sind und in einem Zopf, der über dem Kopf liegt, zusammengenommen wurden, ist meisterhaft erfasst und umgesetzt worden.
Stehen wie ein Ägypter
Der Jüngling steht gerade, das linke Bein vorgestellt, schon ganz die strenge Pose der archaischen Kouroi vorwegnehmend. Seine Arme hält er auf Brusthöhe in einer Geste, die auch bei älteren Terrakottafiguren aus dem naheliegenden Gipfelheiligtum auftaucht. Der minoische Künstler arbeitete einige menschliche anatomische Details wie Adern und Sehnen an den Händen und Füßen meisterhaft und mit größtem Realismus heraus. Den Körper hingegen übersteigerte er in der Darstellung, um ihm eine besondere physische Präsenz zu verleihen. Mit der schmalen Taille, den breiten Schultern und überlängten, muskulösen Beinen fertigte er die Figur als idealisiertes menschengestaltiges Abbild einer machtvollen männlichen Gottheit.
Der Palaikastro-Kouros – ein Vorläufer des Diäktäischen Zeus?
Möglicherweise war der ägyptische Gott Osiris Vorbild für die Gestalt der jugendlichen, virilen Gottheit, die mit Fruchtbarkeitskulten in Verbindung gebracht wird. Es spricht einiges dafür, das der spätminoische Gott ein Vorläufer des Diktäischen Zeus ist, der in einem Heiligtum oberhalb des Stadtkomplexes von Russolakkos angebetet wurde.
Literaturtipp:
S. Hemingway, Art of the Aegean Bronze Age. The Metropolitan Museum of Art Bulletin, Frühjahr 2012, Bd. LXIX, Nr. 4, S. 31
Der Autor, Sean Hemingway ist übrigens der Enkel von Ernest Hemingway und Kurator für griechische und römische Kunst am Metropolitan Museum of Art, New York. Er war selber dabei, als die Einzelteile des Kouros von Palaikastro gefunden wurde.
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