Um diese extrem spannende Stadt mit ihren vielen kulturellen Facetten kennenzulernen, lohnt sich ein Blick in ihre faszinierende Geschichte.
Das antike Thessaloniki – Residenz makedonischer Könige und römischer Kaiser
Thessaloniki wurde im Jahre 315 v. Chr. vom makedonischen König Kassandros (um 350 – 297 v. Chr.) gegründet. Der Diadochenkönig war mit einer Halbschwester Alexanders des Großen verheiratet. Nach ihr und Alexander zu Ehren benannte Kassandros seine Stadt Thessaloniki. Nach dem Zerfall der Diadochenreiche wurde Makedonien – und damit auch Thessaloniki – 146 v. Chr. zur römischen Provinz. Die ideale Lage der Stadt an einem der Hauptverkehrswege zwischen Rom und Byzanz, der Via Egnatia und der nach Norden führenden Balkanstraße, ermöglichte eine stetige Weiterentwicklung Thessalonikis, die schließlich unter dem römischen Kaiser Galerius (um 250 – 311) zur Kaiserresidenz ausgerufen wurde. Dem Herrscher verlangte es nach prestigeträchtigen Bauten und er ließ seine Stadt reich damit ausstatten. Unter Konstantin dem Großen (um 270 – 288 bis 337) wurde das künstliche Hafenbecken der Stadt angelegt, um den Außenhandel und damit die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt weiter voranzutreiben. Mit der Ernennung Byzantions, dem späteren Konstantinopel, zur christlichen Reichshauptstadt im Jahre 330, verlor Thessaloniki zwar seinen Kaisersitz, seine wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung für die Region bestand allerdings fort.
Thessaloniki in frühchristlicher und byzantinischer Zeit – Klöster und Kirchen
Die Relevanz Thessalonikis für die Verbreitung des frühchristlichen Glaubens ist immens. Um 50 n. Chr. gründete der Apostel Paulus hier die zweite christliche Gemeinde Europas. Dementsprechend wurde die Stadt schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit Kirchen und Klöstern ausgestattet. Die UNESCO ernannte 1988 die frühchristlichen und byzantinischen Bauwerke Thessalonikis zum Weltkulturerbe. Aufgrund ihrer Architektur und ihres künstlerischen Wertes werden die byzantinischen Kirchen der Stadt zu den bedeutendsten Werken byzantinischer Kunst überhaupt gezählt. Thessaloniki war während der byzantinischen Zeit ein kulturelles Zentrum, das eine aktive und konkurrenzfähige Rolle gegenüber Konstantinopel einnahm. Die religiösen Bauten Thessalonikis spiegeln einen regelmäßigen und intensiven Austausch mit den künstlerischen Zentren der Zeit – Rom und Konstantinopel – wieder. Alle Bauten sind – mit Einschränkungen – vollständig erhalten und werden gemäß der Satzung der UNESCO restauriert. Aufgrund der stetigen Nutzung der Bauten über die Jahrhunderte als Kirchen, Synagogen und dann in osmanischer Zeit als Moscheen, wurde ihre Bausubstanz gepflegt und damit vergleichsweise gut erhalten.
Die Osmanische Zeit in Thessaloniki
Im Jahre 1430 wurde Thessaloniki Teil des gigantischen Osmanischen Reiches. Unter der osmanischen Herrschaft entwickelte sich die Stadt bis zum 17. Jahrhundert zum wichtigsten Handelszentrum des Balkans. In der etwa 480 Jahre andauernden Besatzungszeit wurden nahezu alle Kirchen in Moscheen umgewandelt und zahlreiche Alltagsbauten wie Bäder und Basare erbaut. 1912 wurde Thessaloniki kampflos an Griechenland übergeben und die Moscheen wieder in orthodoxe Kirchen umgewandelt. Die trotz des verheerenden Feuers im Jahre 1917 heute noch erhaltenen osmanischen Bauten prägen nach wie vor das Stadtbild Thessalonikis. Das Wahrzeichen der Stadt, der berühmte Weiße Turm, wurde von keinem geringeren als dem berühmtesten Baumeister osmanischer Zeit, Sinan, erbaut.
Jüdisches Leben in Thessaloniki
Die Vergangenheit
Die ersten Juden siedelten sich um 140 v. Chr. in Thessaloniki an. Kein geringerer als der Apostel Paulus predigte auf seiner zweiten Missionsreise im Jahr 50 n. Chr. in der ältesten Synagoge der Stadt, der Etz Achaim. Leider ist diese Synagoge dem Brand von 1917 vollständig zum Opfer gefallen. Die jüdische Gemeinde Thessalonikis war bis in osmanische Zeit wiederholt Restriktionen und Umsiedlungen ausgesetzt. Erst unter der Herrschaft Sultans Bayezid II wurde die Haltung liberaler und vor allem sephardische Juden siedelten sich in der Stadt an. Um 1520 bestand bereits die Hälfte der Bevölkerung Thessalonikis aus Juden unterschiedlicher Strömungen. Sowohl die Juden als auch die Christen Thessalonikis lebten dank der osmanischen Dhimma in Gemeinden, deren interne Angelegenheiten autonom geregelt werden durften. Bald war Thessaloniki mehrheitlich von Juden bevölkert und erhielt den Beinamen Jerusalem des Balkans. Trotzdem es auch in anderen Städten des Osmanischen Reichs große jüdischen Gemeinden gab, stellten sie nur in Thessaloniki den größten Bevölkerungsanteil. Um 1900 lebten etwa 80.000 Juden in der Stadt, deren Gesamteinwohnerzahl sich auf 173.000 belief. Mit dem Anschluss an Griechenland entfielen die unter den Osmanen eingeräumten Privilegien, die die Juden genossen hatten. Damit waren die Juden nun vor allem wirtschaftlich schlechter gestellt und viele von ihnen verließen deshalb in den 1920er Jahren die Stadt und emigrierten in die USA oder nach Palästina. Von den etwa 50.000 Juden, die 1940 noch in Thessaloniki ansässig waren, überlebten nur knapp 2000 den Holocaust. Äußere Zeichen des jüdischen Lebens wurden von den Deutschen Besatzern vernichtet, Privatvermögen konfisziert und das bedeutende kulturelle Erbe so gut wie ausgelöscht.
Die Gegenwart
Gegenwärtig besteht die jüdische Gemeinde Thessalonikis aus 1500 Mitgliedern, die aktiv am städtischen Leben und Wirken teilhaben. Das kleine Jüdische Museum beschäftigt sich mit der langen, tief verwurzelten Geschichte des jüdischen Lebens in Thessaloniki.
Schreibe einen Kommentar